Samstag, 20. März 2010

Pestalozzi-Stiftung II

20. März 2010
Offener Umgang mit der Vergangenheit

"Wir sind überzeugt, dass wir heute eine nicht nur öffentlich anerkannte und professionelle  Jugendhilfe bieten, sondern auch eine ganze Menge vorbildlich machen", sagt Pastor Andreas Seifert, seit Sommer 1984 Vorstand der Pestalozzi-Stiftung in Burgwedel und in drei Monaten im Ruhestand. Auf diese Arbeit dürfe kein "schiefes Licht" fallen, deshalb müsse mit der Vergangenheit offen umgegangen werden.

Zu dieser Vergangenheit gehören die in diesem blog geschilderten Erfahrungen von Michael B., der von 1978 bis 1982 im Wichernhaus der Pestalozzi-Stiftung gelebt hat, von Schlägen berichtet und von sexuellen Annäherungsversuchen des damaligen Heimleiters. Andreas Seifert erinnert sich: "Diesen Heimleiter habe ich noch kennengelernt und dann bald wegen verschiedener Verfehlungen  entlassen." Bei diesen Verfehlungen sei es allerdings nicht um versuchten sexuellen Missbrauch gegangen. Vielmehr habe der damalige Heimleiter mit den Jugendlichen aus seiner Gruppe unter einer Decke gesteckt, die Polizei fand in seinem Zimmer Diebesgut.

Um die 30 Ehemalige haben sich Andreas Seifert zufolge in den vergangenen beiden Jahren bei der Pestalozzi-Stiftung in Burgwedel gemeldet: "Den meisten lag nur an der Akteneinsicht." Sechs Ehemalige hätten Vorwürfe erhoben, Michael B. sei der Siebte. "Darüber hinaus haben wir von drei ehemaligen Mitarbeiterinnen Berichte mit Vorwürfen erhalten, die die Berichte der ehemaligen Kinder und Jugendlichen übertreffen", so Andreas Seifert, der hinzufügt: "Alle Vorwürfe beziehen sich auf Schläge und Strafen und auf erniedrigende und entwürdigende pädagogische Maßnahmen."

Dennoch wolle er keine Zweifel an den Schilderungen von Michael B. anmelden: "Was er berichtet, haben wir mit Betroffenheit zur Kenntnis genommen. Es gibt keine Veranlassung, diese Aussagen zu bestreiten oder zu relativieren."

Das tue man auch bei den gegenwärtigen Untersuchungen des Diakonischen Werkes zur Geschichte der Heimerziehung von 1945 bis 1978 nicht: "In diesen Tagen wird ein Zwischenbericht vorgelegt. Weil wir über ein gutes Archiv verfügen, werden viele negative Beispiele aus unserer Stiftung erwähnt sein."

Keinesfalls als Kompliment wertet Andreas Seifert diese Feststellung eines Ehemaligen: "Ich war in drei Heimen. Bei Ihnen zuerst. Da war es noch am wenigstens schlimm." Und für Michael B. gelte: "Wir würden uns freuen, von ihm noch direkt zu hören."

Keine Kommentare: