Donnerstag, 24. Februar 2011

Keine Almosen

24. Februar 2011
Nackt in einem dunklen Raum/Weiße Elefanten fliegen vorbei

"Michael Fritz, mit Volker zu gleichen Zeit im Bubenhaus, weil sein Vater gestorben war, bekam die Rache einer Erzieherin zu spüren, zu der der 10-Jährige angeblich zu frech gewesen war. Kurz darauf fand er auf seinem Bett das Einzige, was er von zu Hause hatte behalten dürfen, einen Teddy vollkommen zerstückelt vor, die Arme und Beine waren abgeschnitten."

Hat "Spiegel"-Buchautor Peter Wensierski am  9. Juni 2006 bei einer Tagung im Idsteiner  Kinderheim "Kalmenhof" berichtet. In seinem Buch "Schläge im Namen des Herrn" erzählte er die "verdrängte Geschichte der Heimkinder in der Bundesrepublik". Seinerzeit sagte ein Diakonie-Chef, Akten, die belastend seien, seien besser als vernichtete.

Kurt Nagel, der 1961 in den "Kalmenhof" eingewiesen wurde, hat jetzt in seiner Akte geblättert. Dabei seien ihm aufgefallen: fehlende Seiten, Beschönigungen und Verschwiegenes.

Kurt Nagel ist ein uneheliches Flüchtlingskind, mit seiner Mutter kam er 1945 in die Bundesrepublik, er war Bettnässer und ein Zappelphilipp. Nach der Entmündigung seiner Mutter wurde er ins Heim gebracht, musste Zwangsarbeit machen und drastische Strafen über sich ergehen lassen.

Verweigerte er die Arbeit, wurde er in einen leeren Raum gesperrt, hatte er einen Fluchtversuch unternommen, warf man ihn nackt in einen dunklen Raum.  Tagelang. Auch Prügelstrafen musste er über sich ergehen lassen.  
 
Auch das könne niemand wieder gut machen: Todesangst und Halluzinationen während der Isolation. Weiße Elefanten seien an ihm vorbeigeflogen, lila Nebel waberte durch die Finsternis. Als sich seine Mutter beschwert habe, sei alles noch viel schlimmer geworden.
 
Nun ist der Abschlussbericht des Runden Tisches Heimerziehung fertig. Der kann Kurt Nagel gestohlen bleiben. Zu erwarten seien: Almosen für ehemalige Heimkinder, gute Bezahlung von Psychotherapeuten, Psychologen und Juristen.